12 Juli 2006

Vorlesung Halsschwellung

Differenzierung der Befunde nach: Lage, Verschieblichkeit und Zahl, Größe, Festigkeit und Qual (Druckschmerzhaftigkeit)

Anatomische Halsdreiecke: Trigonum submandibulare, Trigonum submentale, Trigonum caroticum, Trigonum colli laterale.

Topografie der Halslymphknotenregionen nach Robbins (1991):
- Regio I: submandibuläre und submentale LK
- Regio II: obere iuguläre LK
- Regio III: mittlere iuguläre LK
- Regio IV: untere iuguläre LK
- Regio V: LK des lateralen (posterioren) Halsdreiecks
- Regio VI: LK des anterioren Halskompartiments

Genese von Halsschwellungen
- Entzündung (akut/chronisch; Weichteile, Lymphknoten, Schilddrüse, Speicheldrüsen)
- ‚Missbildung’ (z.B. Halszysten, Halsfisteln, Gefäßanomalien, Laryngozelen)
- Tumor (benigne/maligne; Metastasen, Lymphome, Sarkome, Struma)

Akute Entzündungen
(akute Symptomatik: Schmerzen, Schonhaltung, evtl. Rötung, Allgemeinsymptome)

Oberflächliche Weichteilentzündungen
- Furunkel, Karbunkel, infizierte Atherome oder Dermoide, Pyodermien
- Therapie: systemische Antibiose, ggf. Inzision und Drainage

Halsphlegmone
- diffuse Halsweichteilentzündung
- brettharte Schwellung, stark druckdolent, u.U. septisches Krankheitsbild
- Eintrittspforte?
- Antibiose, bei Vereiterung chirurgische Drainage
- Cave: Thrombophlebitis, Mediastinitis

Halsabszess
- mehr umschriebene Weichteilentzündung, meist von einem LK ausgehend
- Schwellung, Schmerzen, u.U. septisches Krankheitsbild
- CT mit Kontrastmittel: Einschmelzung mit typischem ringförmigem
Enhancement sichtbar
- Eintrittspforte? Genese durch malignes Geschehen?
- Therapie: Chirurgische Drainage, Antibiose, Entnahme einer Gewebsprobe zum
Malignomausschluss

Akute Lymphadenitis
- zumeist einseitige Schwellung, Schmerzen
- Prädilektionsalter: Kinder bis zum 10. Lebensjahr (Ursache typischerweise
Infekte), ältere Erwachsene (Ursache nicht selten Malignome)
- Abszessentwicklung möglich (vgl. Halsabszess)
- Suche nach Primärherd bzw. Eintrittspforte (HNO-Bereich, Zähne, Haut an
Kopf und Hals)
- Therapie: Antibiose, ggf. Primärherdsanierung
- Kontrolluntersuchung im Intervall: evtl. Residualbefunde abklären
(Malignome!!)

Chronische Entzündungen
(meist lange Anamnese, kaum Schmerzen, selten Allgemeinsymptome, evtl. Hautinfiltration, u.U. erfolglose Vorbehandlung)

Chronische Weichteilphlegmone
- harte Schwellung, Hautverfärbung, Fistelbildung
- DD: Fremdkörper, Malignome, Tuberkulose, selten: Aktinomykose


Chronische Lymphadenitis (= chron. Lymphknotenvergrößerung)

- unspezifische Lymphadenitis
Häufigste Ursache für chron. LK-Schwellung, ist aber nur
Ausschlussdiagnose!! Oft im Gefolge einer Infektion im HNO-Bereich, d.h.
der Primärherd (z.B. Tonsillitis) ist bereits ausgeheilt. Therapie:
Abwarten, evtl. probatorisch Antibiose.

- Halslymphknotentuberkulose
Inzidenz wieder zunehmend, Erreger sind Mykobakterien des Mycobacterium
tuberculosis-Komplexes. In 95% der Fälle hat die HLK-Tuberkulose eine
postprimäre Genese, d.h. es besteht Z.n. hämatogener Streuung, so dass die
Erkrankung einen systemischen Charakter hat. Betroffen sind v.a.
Erwachsene. Neigung zur Hautinfiltration und Fistelbildung, evtl. kalte
Abszesse. Histologie: epitheloidzellige Granulome mit Verkäsung.
Diagnostik: Histologie, Erregernachweis, PCR. Therapie: Tuberkulostatika
für 6-9 Monate. Meldepflicht.
(vgl. auch ‚Mykobakterielle Halslymphknotenerkrankungen’ auf der Website)

- Atypische Mykobakteriose
Inzidenz ebenfalls zunehmend, Erreger sind sog. MOTT (Mycobacteria other
than tuberculosis), über 70 Spezies bekannt, ubiquitäre Verbreitung.
Eintrittspforte sind die Schleimhäute im Mund-Rachen-Bereich, anschließend
Ausbildung eines Primärkomplexes durch Mitbeteiligung des/der
drainierenden Lymphknoten, es handelt sich somit (im Gegensatz zur
Tuberkulose) um eine lokal begrenzte Erkrankung. Histologie wie bei
Tuberkulose. Diagnosestellung überwiegend klinisch oder durch PCR (cave:
aufgrund der ubiquitärenVerbreitung der Erregers sind falsch-positive
Resultate durch Kontamination häufig). Therapie: chirurgische Sanierung,
evtl. Makrolid-Antibiotika, Derivate klassischer Tuberkulostatika.
(vgl. auch ‚Mykobakterielle Halslymphknotenerkrankungen auf der Website)

- Sarkoidose
Epitheloidzellige Granulomatose, die v.a. die mediastinalen LK und die
Lungen betrifft. Im Kopf-Hals-Bereich sind verschieden Haut- oder
Schleimhautmanifestationen wie auch ein solitärer Halslymphknotenbefall
möglich (meist supraklavikulär). Diagnose: Histologie, Röntgen-Thorax,
negative Tuberkulinprobe, ACE-Erhöhung im Serum. Therapie: Kortikosteroide.

- Lues
Halslymphknoten-Schwellungen können im Stadium I und II der Erkrankung
auftreten. Diagnose: Serologie. Therapie: Antibiose.

- Infektiöse Mononukleose (M. Pfeiffer)
Vollbild der Erkrankung besteht in einer akuten Tonsillitis mit
Fibrinbelag und massiver Halslymphknoten-Schwellung bds. Bei rund 80% der
Infizierten verläuft die Erkrankung jedoch inapparent oder mit nur
minimaler Symptomatik, wie z.B. solitärer Hals-LK-Schwellung. Diagnose:
Serologie. Therapie: symptomatisch.

- AIDS
Hals-LK-Schwellungen sind typische Erstsymptome der AIDS-Erkrankung.
Diagnose: Serologie.

- Toxoplasmose
Anamnestisch Katzenkontakt. Beim immunkompetenten Individuum i.d.R.
harmlose Erkrankung, die sich in mehrwöchigen LK-Vergrößerungen äußert und
üblicherweise spontan ausheilt. Diagnose: Serologie

- Borreliose (Lyme-Disease)
Erreger: Borrelia burgdorferi (Spirochäte), Übertragung durch Zecken.
Erkrankung durchläuft unbehandelt drei Stadien und kann sich an multiplen
Organen manifestieren. Typisch sind das Erythema chronicum migrans im
Stadium I und Arthritiden im Stadium II. Hals-LK-Schwellungen treten meist
frühzeitig in Erscheinung und können u.U. das einzige Symptom sein.
Diagnose: Serologie. Therapie: Antibiose.

- Katzenkratzkrankheit
Erreger: Bartonella henselae (gramnegatives Stäbchen). Typische Trias:
Katzenkontakt, Hautpapel an der Eintrittspforte, regionäre Lymphknoten-
Schwellung. Diagnose: Serologie. Therapie: üblicherweise spontane
Ausheilung, Antibiose nur bei Allgemeinsymptomen.
(vgl. auch ‚Katzenkratzkrankheit’ auf der Website)

- Brucellose
Erreger: Brucellen (gramnegative Stäbchen). Seltene Erkrankung, deren Bild
von chronisch-subfebrilen Verlaufsformen bis hin zur hochfieberhaften
Reaktion mit verschiedenen Organmanifestationen führen kann. Übertragung
durch Haus- und Nutztiere, prädisponiert sind daher Landwirte und
Tierärzte. Diagnose: Serologie.

- Tularämie (Hasenpest)
Erreger: Francisella tularensis (gramnegatives Stäbchen). Seltene
septikämische, zu Pneumonien führende Infektionskrankheit. Übertragung
durch Wildtiere (V.a. Nager), prädisponiert sind daher Jäger. Diagnose:
Serologie

- Malignomerkrankungen
Chronische Halslymphknoten-Schwellungen können grundsätzlich immer
Ausdruck einer bösartigen Tumorerkrankung sein (Metastasen, Lymphome).
Dies ist insbesondere bei älteren Erwachsenen zu beachten.


Diagnostik bei unklaren Halslymphknoten-Schwellungen

Anamnese
- Alter (atyp. Mykobakteriose, Mononukleose, Malignom)
- Fieber, Nachtschweiß (Tbc, Lymphome)
- Gewichtsverlust (Tbc, Malignom)
- Dysphagie, Heiserkeit (HNO-Karzinom)
- Juckreiz (Lymphom)
- Alkoholschmerz (Sarkoidose, M. Hodgkin)
- Tierkontakte (Toxoplasmose, Katzenkratzkrankheit, Brucellose, Tularämie)
- Zeckenbiß (Lyme-Borreliose)
- Gelenkbeschwerden (Lyme-Borreliose)

HNO-Untersuchung
- Anhalt für Primärherd (unspez. Lymphadenitis, Malignome, Lues)
- nasale Schleimhautgranulationen (Sarkoidose)
- Hautinfiltrate, Fisteln (Tbc, atyp. Mykobakteriose, Katzenkratzkrankheit,
Malignome, Aktinomykose)

- Kratzspuren am Hals (Katzenkratzkrankheit)
- Hauterythem (Lyme-Borreliose)

Ultraschall (B-Scan)
- Ausschluss Halszyste, Speicheldrüsdenerkrankung, Schilddrüsenerkrankung

Intrakutantests
- Tbc, atypische Mykobakeriosen

Laboruntersuchungen
- CRP
- großes Blutbild (Lymphome, Mononukleose)
- Serologie (TPHA, HIV, EBV, Toxoplasma gondii, Borrelia burgdorferi)
bei Bedarf auch Bartonella henselae, Brucella, Francisella tularensis

Röntgenuntersuchung des Thorax
- Tbc, Sarkoidose, Lymphomerkrankungen

Punktionszytologie

Lymphknotenentnahme zur histologischen Untersuchung

Mykobakterielle Halslymphknotenerkrankungen

Tuberkulöse und nichttuberkulöse mykobakterielle Erkrankungen der Halslymphknoten



Martin C. Jäckel1 und Burkhard Sattler2


1Universitäts-HNO-Klinik Göttingen
(Direktor: Prof. Dr. W. Steiner)
2Abteilung allgemeine Pathologie der Universität Göttingen
(Direktor: Prof. Dr. H.-J. Radzun)


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Autorenadresse: Dr. med. Martin C. Jäckel
Universitäts-HNO-Klinik
Robert-Koch-Str. 50
D-37075 Göttingen
Tel: 0551 - 392802
Fax: 0551 - 392809

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Extrapulmonale Manifestationen mykobakterieller Erkrankungen betreffen zu einem nicht unerheblichen Teil die Lymphabflußgebiete des Halses, die rund ein Drittel aller Lymphknoten des menschlichen Körpers enthalten. Bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein war ihre Inzidenz in den westlichen Industrieländern stetig rückläufig. Infolge der ansteigenden Zahl immunsupprimierter Patienten (v.a. HIV-Infektionen) sowie anderer, noch unbekannter Faktoren haben Mykobakteriosen in letzter Zeit jedoch wieder erheblich an Bedeutung gewonnen. Der vorliegende Beitrag gibt einen aktuellen Überblick über die Diagnostik und die Therapie myko-bakterieller Halslymphknotenerkrankungen sowie über ihre Abgrenzung von anderen entzündlichen und nichtentzündlichen Prozessen.


Eigenschaften und Einteilung der Mykobakterien

Mykobakterien sind schlanke Stäbchenbakterien, die sich nur unter aeroben Bedingungen vermeh-ren. Abgesehen von wenigen Arten weisen sie eine langsame Teilungsrate auf, weswegen ihr kultureller Nachweis eine wesentlich längere Zeit beansprucht als der der meisten anderen Bakterien. Ihre Zellwand ist besonders reich an Lipiden, die ihnen ihre charakteristische Säure-festigkeit verleihen. Einmal aufgenommene Farbstoffe werden unter einer Behandlung mit Salzsäure-Alkohol nicht wieder abgegeben. Diese Eigenschaft wird für den mikroskopischen Nachweis von Mykobakterien mit Hilfe der Ziehl-Neelsen-Färbung oder der fluoreszenzoptischen Auramin-Rhodamin-Färbung genutzt.

Mykobakterien werden in tuberkulöse und nichttuberkulöse Spezies eingeteilt.

Von den klassischen Tuberkelbakterien, die im Mycobacterium (M.) tuberculosis-Komplex zusammengefaßt werden (v.a. M. tuberculosis, M. bovis), ist die Gruppe der _ ubiquitären oder nichttuberkulösen Mykobakterien (engl. 'MOTT' = Mycobacteria other than tuberculosis) abzugrenzen. Hierbei handelt es sich um weitverbreitete, sehr resistente Saprophyten, die in der freien Natur vornehmlich in Wasserreservoirs, im Erdboden sowie im Staub vorkommen. Daneben lassen sie sich vielfach auch im Trinkwasser und einigen Lebensmitteln wie Milch, Eiern und Gemüsen nachweisen. Mit dem Rückgang der Tuberkuloseerkrankungen in den westlichen Industrieländern hat der medizinische Stellenwert nichttuberkulöser Mykobakterien deut-lich zugenommen. Derzeit sind ungefähr 70 Spezies definiert, die sich aufgrund ihrer Wachs-tumseigenschaften (Wachstumsgeschwindigkeit, Pigmentbildung) verschiedenen Gruppen zuord-nen lassen.

Nichttuberkulöse Mykobakterien weisen große Unterschiede in ihrer pathogenen Potenz auf.

Während der Nachweis von Mykobakterien des M. tuberculosis-Komplexes aus Körpergeweben oder -flüssigkeiten grundsätzlich als pathologisch anzusehen ist, ist bei ubiquitären Mykobakterien stets eine kritische Einzelfallbewertung erforderlich. Ihre pathogenetische Bandbreite ist groß und reicht von einer asymptomatischen Schleimhautbesiedlung über verschiedene Lokalmanifestationen bis hin zum disseminierten entzündlichen Organbefall, der vor allem AIDS-Patienten betrifft. Wenn auch die Mehrzahl der Spezies kaum eine nennenswerte pathogene Potenz besitzt, so sind dennoch Erkrankungen durch fast alle ubiquitären Mykobakterienarten beschrieben worden. Ihr Nachweis aus Sputum oder Stuhl entspricht somit in der Regel einer Besiedlung, bei entsprechender Allgemeinsymptomatik und eingeschränkter Immunabwehr des Patienten kann er jedoch auch auf eine disseminierte Infektion hindeuten. Finden sich atypische Mykobakterien hin-gegen in sterilem Körpermaterial wie Blut, Knochenmark oder Lymphknoten, so kommt ihnen - der Ausschluß einer sekundären Kontamination vorausgesetzt - natürlich immer eine Erregerfunktion zu.

Nichttuberkulöse Mykobakterien werden in der Regel nicht von Mensch zu Mensch übertragen.

Bakterien des M. tuberculosis-Komplexes werden vor allem durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen, wobei Patienten mit einer offenen Tuberkulose die Ansteckungsquelle sind. Eintrittspforte ist üblicherweise die Lunge. In seltenen Fällen sind auch Schmier-infektionen sowie eine Übertragung vom Tier auf den Menschen, z.B. durch die Aufnahme M. bovis-haltiger Milch möglich. Infektionen mit nichttuberkulösen Mykobakterien erfolgen dagegen durch die Inhalation von Aerosolen, die Nahrungsaufnahme sowie die Verschmutzung kleinerer Hautläsionen beim Baden, bei der Gartenarbeit oder ähnlichem. Eintrittspforten können sämtliche innere und äußere Oberflächen des Körpers sein, im Hinblick auf eine Erkrankung der Halslymphknoten sind es zumeist die Tonsillen, die Gingiva und die Konjunktiven. Im Gegensatz zur klassischen Tuberkulose spielt bei ubiquitären Mykobakterien eine Übertragung von Mensch zu Mensch kaum eine Rolle.


Pathogenese mykobakterieller Halslymphknotenerkrankungen

Die klassische Halslymphknotentuberkulose (auch 'Scrofula' genannt) ist zu etwa 95% eine sogenannte postprimäre Erkrankung, die durch Reaktivierung einer länger zurückliegenden pulmonalen Primärinfektion entsteht. Nach einer hämatogenen Streuung des Erregers kommt es durch Exazerbation zu einer tuberkulösen Entzündung der Halslymphknoten. In der Regel handelt es sich somit um die lokale Manifestation einer systemischen Erkrankung. In rund 5% der Fälle hat man es dagegen mit einer Lymphknotenbeteiligung im Rahmen einer orozervikalen Primärinfektion zu tun. Die Halslymphknotentuberkulose ist dann Teil des Primärkomplexes, wobei eine Generalisation der Erkrankung möglicherweise noch nicht stattgefunden hat.

Im Gegensatz dazu ist die nichttuberkulöse Mykobakteriose der Halslymphknoten - bei gegebener Immunkompetenz des Patienten - grundsätzlich als lokale Erkrankung aufzufassen. Sie entsteht durch ein Eindringen des Erregers in die Schleimhäute des Kopf-Hals-Bereichs und stellt gemeinsam mit dem klinisch zumeist unbedeutenden Primärherd eine Art 'Primärkomplex' dar. Eine Ausnahme bildet der disseminierte Organbefall immunkompromittierter Patienten (AIDS, Chemotherapie von Malignomen, Zustand nach Organtransplantation), bei dem eine Mitbeteiligung der Halslymphknoten vorliegen kann.


Klinik mykobakterieller Halslymphknotenerkrankungen

Leitsymptom ist die mehrwöchige, schmerzarme Vergrößerung eines oder mehrerer Hals-lymphknoten.

Die klinische Symptomatik mykobakterieller Halslymphknotenerkrankungen ist vieldeutig und besitzt üblicherweise einen subakuten bis chronischen Charakter. Wichtige diagnostische Hinweise sind neben einer mäßig derben Lymphknotenvergrößerung eine lange, oft mehrwöchige Anamnese, eine gering ausgeprägte Allgemeinsymptomatik, Schmerzarmut sowie eine Neigung zur Hautinfiltration und Fistelbildung. Darüber hinaus berichten viele Patienten über eine erfolglose antibiotische Vorbehandlung.

Das Alter des Patienten, die Lymphknotenlokalisation sowie die Vorgeschichte liefern zudem Anhaltspunkte für eine Differenzierung tuberkulöser und nichttuberkulöser mykobakterieller Erkrankungen [6]. Während die Tuberkulose die Mehrzahl der im Erwachsenenalter auftretenden Erkrankungen ausmacht und in den Entwicklungsländern dominiert, sind hierzulande rund 90% der kindlichen Mykobakteriosen der Halslymphknoten durch nichttuberkulöse Erregerspezies bedingt. Aufgrund des lokalen Charakters der Erkrankung manifestiert sich die nichttuberkulöse Lymphadenitis üblicherweise unilateral und in nur einer Lymphknotengruppe, bevorzugt submandibulär oder präaurikulär. Demgegenüber führt die Tuberkulose oft zu einem bilateralen und/oder multiplen Lymphknotenbefall und geht häufiger mit geringen Allgemeinsymptomen wie subfebrilen Temperaturen, Nachtschweiß und Gewichtsverlust einher. Die involvierten Lymphknoten finden sich bevorzugt in den dorsalen und kaudalen Halspartien.

Die klinische Abgrenzung von Lymphadenitiden anderer Genese ist schwierig.

Die sicherlich häufigste Differentialdiagnose mykobakterieller Halslymphknotenerkrankungen sind unspezifische Lymphadenitiden durch banale bakterielle oder virale Erreger. Ihre klinische Abgrenzung ist schwierig. Anamnestisch lassen sich neben dem zumeist akuten Beginn der Erkrankung möglicherweise dentogene, dermatologische oder den oberen Aerodigestivtrakt betreffende Infektionen eruieren, die einer unspezifischen Lymphadenitis oftmals vorausgehen oder parallel bestehen (z.B. Dentitio difficilis, Akne, Tonsillitis, Pharyngitis, Sinusitis, Sialadenitis). Darüber hinaus sprechen Fieber, Krankheitsgefühl und Druckschmerzhaftigkeit eher für eine unspezifische als für eine mykobakterielle Entzündung der Halslymphknoten.

Eine wichtige Differentialdiagnose ist ein Malignom!

Aufgrund des vielfach chronischen Charakters mykobakterieller Lymphadenitiden müssen differentialdiagnostisch immer auch eine Lymphknotenmetastase oder ein malignes Lymphom in Betracht gezogen werden. Abgesehen von ihrer härteren Konsistenz sowie einer eventuellen Primärtumorsymptomatik (z.B. Dysphagie) bieten tumoröse Veränderungen jedoch keine spezifischen klinischen Hinweise, so daß ihr endgültiger Ausschluß erst durch die feingewebliche Untersuchung möglich ist (vgl. Kapitel Diagnostik).

Weitere Differentialdiagnosen sind vor allem die infek-tiöse Mononukleose, die Toxoplasmose und die Katzenkratzkrankheit zu nennen. Die Lymphknotenaktinomykose kommt der mykobakteriellen Lymphknotenentzündung vom klinischen Bild her sehr nahe (Hautinfiltration, Fistelbildung), ist jedoch ausgesprochen selten.


Diagnostik

Relevante Informationen über eine mögliche mykobakterielle Erkrankung liefert die Tuberkulinprobe nach Mendel-Mantoux. Hierbei werden 10 Einheiten gereinigtes Tuberkulin in 0,1 ml Lösungsmittel streng intrakutan injiziert und das Ergebnis anhand des Durchmessers der Indu-ration nach 2-3 Tagen abgelesen. Ein positives Testergebnis liegt bei einem Indurationsdurch-messer von mehr als 5 mm vor.

Ein negativer Tuberkulintest schließt eine Tuberkulose praktisch aus.

Besteht eine aktive Tuberkulose, so fällt die Tuberkulinreaktion in der Regel hochpositiv (> 15 mm) aus. Umgekehrt ist bei einem negativen Testergebnis (Kontrolle notwendig!) eine Tuberkulose praktisch ausgeschlossen, sofern keine Immunsuppression seitens des Patienten besteht. Bei Infektionen mit nichttuberkulösen Mykobakterien kommt es häufig zu allergischen Kreuzreaktionen auf Tuberkulin, weswegen der Intrakutantest bei ungefähr 80% der Patienten schwach positive Resultate (5-10 mm Induration) zeigt. Mittlerweile sind auch gereinigte Proteinextrakte verschiedener nichttuberkulöser Mykobakterien kommerziell erhältlich. Ihre intrakutane Testung ist bis-lang wenig verbreitet, sie scheint jedoch eine Sensitivität von über 90% zu besitzen [3]. Die für Screening-Untersuchungen eingesetzten Stempeltests (PPD-Mérieux, Tine-Test, Tubergen-Test) sollten zur diagnostischen Abklärung einer Mykobakteriose nicht verwendet werden, da sie in 10-15% der Fälle zu falsch-negativen Resultaten führen.

Die Röntgenuntersuchung des Thorax kann ebenfalls wichtige diagnostische Hinweise lie-fern. Der Nachweis eines Primärkomplexes, einer einseitigen Hiluslymphknotenvergrößerung, eines einseitigen Pleuraergusses sowie von Dystelektasen oder Kavernen gehört zu den charakteristischen Zeichen einer Tuberkulose und erhärtet einen entsprechenden Verdacht. Die nichttuberkulöse Mykobakteriose geht beim immunkompetenten Patienten üblicherweise mit einem unauf-fälligen radiologischen Lungenbefund einher. Bei AIDS-Patienten, die an einer disseminierten Mykobakteriose erkrankt sind, finden sich dagegen oft atypische pulmonale Veränderungen. Eine Vergrößerung der mediastinalen Lymphknoten deutet auf das Vorliegen eines malignen Lymphoms oder - seltener - einer Sarkoidose hin (vgl. Tabelle 4).

Zum Ausschluß anderer Erkrankungen wie Mononukleose, Toxoplasmose und Katzenkratzkrank-heit sollten entsprechende serologische Untersuchungen erfolgen. Aufgrund der hohen Inzi-denz mykobakterieller Erkrankungen bei AIDS-Patienten ist die generelle Durchführung eines HIV-Tests zu empfehlen.

Letzten Endes erlauben diese klinischen Verfahren jedoch nur Vermutungen, so daß für die diagnostische Abklärung einer mykobakteriellen Halslymphknotenerkrankung eine chirurgische Gewebsentnahme erforderlich ist. Wegen der Gefahr von Fistelbildungen sollten dabei einfache Biopsien, Inzisionen und Drainagen möglichst vermieden und stattdessen eine komplette chirurgische Sanierung oder die Exzision eines befallenen Lymphknotens angestrebt werden (vgl. Kapitel Therapie). Alternativ wird an einigen Zentren zunächst eine Feinnadelpunktion durchgeführt [4]. Ihr klinisch-diagnostischer Nutzen läßt sich noch nicht abschließend bewerten.

Das histologische Bild mykobakterieller Lymphadenitiden ist sehr variabel und reicht von einer granulomatösen Entzündung mit verkäsenden Nekrosen bis hin zu einer retikulozytär-abszedierenden Lymphadenitis mit histiozytären oder epitheloidzelligen Infiltraten. Letztere wird auch bei der Katzenkratzkrankheit, der Aktinomykose und zuweilen bei der Toxoplasmose beobachtet. Bei AIDS-Patienten sieht man zudem häufig hypo- und areaktive Bilder, die ausgedehnte Nekrosen ohne einen nennenswerten Epitheloidzellwall zeigen. Eine Abgrenzung tuberkulöser und nichttuberkulöser Mykobakteriosen ist aufgrund des feingeweblichen Aspekts nicht möglich. Die Sarkoidose ist durch eine nicht verkäsende Epitheloidzellreaktion charakterisiert.

Das Direktpräparat erlaubt zudem den mikroskopischen Nachweis säurefester Stäbchen mit Hilfe der Ziehl-Neelsen- oder Auramin-Rhodamin-Färbung. Dieses Verfahren ist zwar schnell durchführbar, besitzt jedoch nur eine geringe Sensitivität, da für ein positives Resultat eine hohe Keimdichte erforderlich ist. Darüber hinaus ist eine Differenzierung zwischen Tuberkelbakterien und ihren nichttuberkulösen Verwandten ebenfalls nicht möglich.

'Goldstandard' der Mykobakterien-Diagnostik ist der kulturelle Nachweis.

Für die definitive Diagnose stellt der kulturelle Erregernachweis nach wie vor eine Art 'Goldstandard' dar, wenngleich er in rund 50% der Fälle nicht gelingt. Das hierfür vorgesehene Körpermaterial muß nativ eingesandt werden, besondere Transportbedingungen sind nicht erfor-derlich. Zur Anzucht stehen eigelbhaltige Festnährböden sowie verschiedene Flüssigmedien zu Verfügung. Ein Erregerwachstum läßt sich zumeist nach 3-4 Wochen nachweisen, im Fall der schnell wachsenden nichttuberkulösen Mykobakterien (vgl. Tabelle 1) bereits innerhalb von 7 Tagen. Die kulturellen Eigenschaften (v.a. Pigmentierung) erlauben eine vorläufige Gruppen-zuordnung. Für die anschließende Erregerdifferenzierung werden klassischerweise biochemische Tests eingesetzt, die nochmals mehrere Wochen in Anspruch nehmen können. Bis zum Abschluß der Resistenztestung, die insbesondere bei Bakterien des M. tuberculosis-Komplexes durchgeführt wird, vergehen somit im Durchschnitt insgesamt 11-12 Wochen!

Eine moderne und schnellere Nachweismethode in Flüssigkulturen ist das radiometrische BactecTM-Verfahren. Hierbei wird dem Medium radioaktiv (14C) markierte Palmitinsäure als Nährsubstrat zugesetzt. Das durch die metabolische Aktivität der Mykobakterien entweichende 14CO2 läßt sich in der Regel schon nach 10-12 Tagen Kultur nachweisen.

Zur raschen und eindeutigen Identifizierung der Erregerspezies werden heute anstelle biochemischer Tests zunehmend Gensonden-Assays eingesetzt, deren Palette stetig erweitert wird. Ihr Grundprinzip besteht in einer Hybridisierung speziesspezifischer Nukleinsäuresequenzen durch markierte DNA-Sonden, womit sich sowohl eine hohe Sensitivität wie auch eine hohe Spezifität des Tests erzielen lassen. Allerdings erfordert auch diese Technik eine vorhergehende Kultivierung der Mykobakterien, da sie für einen direkten Nachweis aus dem klinischen Probenmate-rial nicht ausreichend empfindlich ist.

Ein Direktnachweis von Mykobakterien könnte in Zukunft durch den Einsatz molekularbiologischer Amplifikationsverfahren (Polymerase-Kettenreaktion, Ligase-Kettenreaktion) zur klinischen Routine werden. Sie ermöglichen die millionenfache Vermehrung eines erregerspezifischen Nukleinsäureabschnitts und erlauben - in Verbindung mit einem entsprechenden Detektionssystem - innerhalb kurzer Zeit den In-vitro-Nachweis einiger weniger Bakterien. Die Indikationen für den Einsatz dieser recht kostspieligen Methode werden derzeit noch in klinischen Studien erarbeitet [8]. Besonders vielversprechend erscheint ihre Anwendung an Feinnadelpunktaten, womit sich die Invasivität der mykobakteriellen Diagnostik auf ein Minimum reduzieren ließe [1].

Die Tuberkulose ist bei Erkrankung und Tod meldepflichtig!

Die Tuberkulose der Atmungsorgane und der übrigen Organe unterliegt im Erkrankungs- und Todesfall, nicht jedoch im Verdachtsfall der Meldepflicht. Dies bedeutet, daß der Erreger mittels kultureller oder molekularbiologischer Methoden als Bakterium des M. tuberculosis-Komplexes identifiziert sein muß. Eine Meldepflicht für nichttuberkulöse Mykobakteriosen besteht nicht.


Therapieprinzipien

Die Tuberkulose ist eine systemische Erkrankung und muß daher immer systemisch-antibiotisch behandelt werden.

Die Behandlung von Patienten mit gesicherter Tuberkulose oder ausreichendem Tuberkulose-Verdacht fällt in erster Linie den Internisten beziehungsweise den Pulmonologen zu. Methode der Wahl ist eine 6- bis 9-monatige Dreifachtherapie bestehend aus Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid [9]. Bei Keimresistenz stehen Ethambutol, Streptomycin und weitere Präparate zur Verfügung. Chirurgische Interventionen kommen nur als adjuvante Maßnahmen zum Einsatz. Sie sind zur Entfernung großer, zentral eingeschmolzener Lymphknotenpakete und zur Sanierung etwaiger Fistelbildungen indiziert. Darüber hinaus kann eine operative Therapie bei nachgewiesener Keimresistenz notwendig werden.

Die nichttuberkulöse Mykobakteriose ist eine lokale Erkrankung, die nach Möglichkeit chirurgisch saniert werden sollte.

Aufgrund des üblicherweise lokalen Charakters nichttuberkulöser Mykobakteriosen (vgl. Pathogenese) ist ihre vollständige operative Sanierung mittels einer selektiven Lymphknotendis-sektion und/oder einer lateralen Parotidektomie die derzeit empfohlene Therapie der Wahl. Dieses Vorgehen führt in nahezu allen Fällen zu einer bleibenden Ausheilung, ohne daß es einer zusätzlichen Behandlung bedarf. Oftmals sind jedoch wichtige anatomische Strukturen wie Nerven und Gefäße in den entzündlichen Prozeß einbezogen, so daß die chirurgische Entfernung des befallenen Gewebes - gerade im Bezug auf den N. facialis oder einen seiner Äste - ein erhebliches Verletzungsrisiko mit sich bringen kann. Die Radikalität des Eingriffs hat sich dann eindeutig dem Funktionserhalt unterzuordnen. Verbliebene Residuen bedürfen jedoch einer zusätzlichen antibiotischen Therapie, da sie vielfach Erkrankungsrezidive mit chronischen Fistelungen nach sich ziehen.

Abgesehen von M. kansasii sind nichttuberkulöse Mykobakterien gegenüber den klassischen Tuberkulostatika weitgehend resistent. In vitro durchgeführte Empfindlichkeitstestungen erlauben keine zuverlässigen Rückschlüsse auf das klinische Ansprechen und besitzen lediglich einen hin-weisenden Charakter. Die antibiotische Therapie erfolgt daher weitgehend empirisch. Als wirk-sam haben sich Makrolide wie Clarithromycin und Azithromycin sowie einige Derivate klassischer Tuberkulostatika wie Rifabutin und Protionamid erwiesen. Eine generelle Therapie-empfehlung gibt es bislang nicht. Aufgrund eigener Erfahrungen scheint bei einem postoperativen Residuum der Erkrankung eine Zweifachtherapie, bestehend aus einem Makrolid und einem Derivat, ausreichend zu sein. Sie sollte sich über 3 Monate, mindestens jedoch 4 Wochen über den Zeitpunkt der Symptomfreiheit hinaus erstrecken [5]. In Einzelfällen mag auch eine alleinige Makrolidgabe genügen. In der aktuellen Literatur werden vielfach auch Therapien von 6-monati-ger Dauer vorgeschlagen [2, 7].


Klinischer Algorithmus

Eine definitive Diagnose mykobakterieller Halslymphknotenerkrankungen ist oftmals nicht möglich.

Die besondere Problematik mykobakterieller Halslymphknotenerkrankungen besteht darin, daß der kulturelle Erregernachweis zeitaufwendig ist und in vielen Fällen nicht gelingt. Die notwendigen Therapieentscheidungen basieren daher oft allein auf dem klinischen Bild, dem histologischen Untersuchungsbefund und/oder dem Ausschluß anderer Erkrankungen. Dies betrifft sowohl die Art und Weise der chirurgischen Intervention wie auch die Notwendigkeit einer anschließen-den medikamentösen Behandlung.

Für die Diagnose einer Mykobakteriose ist üblicherweise eine operative Gewebsentnahme erforderlich (vgl. Diagnostik). Prinzipiell sollten dabei große, zentral eingeschmolzene Lymphknotenpakete entfernt sowie etwaige Fistelbildungen saniert werden. Besteht klinisch der Verdacht auf eine nichttuberkulöse Mykobakteriose (Kinder mit einseitigen, submandibulär oder präaurikulär gelegenen Prozessen, kein Kontakt zu Tuberkulose-Kranken), ist primär die Exstirpation aller involvierten Lymphknoten im Sinne einer selektiven Neck dissection anzustreben, eventuell mit intraoperativer Schnellschnittdiagnostik. Ein zweizeitiges Vorgehen (erst Exzisionsbiopsie, dann Sanierung) sollte vermieden werden, zumal die im Intervall durchgeführte Diagnostik in der Regel auch keine definitive Klärung der Erkrankung ermöglicht. Besteht dagegen Tuberkulose-verdacht (bilaterale Lymphknotenschwellung, insbesondere bei Erwachsenen), so ist zunächst die Entfernung eines befallenen Lymphknotens vorzunehmen.

Unsicherheiten bestehen oftmals auch in der Frage der anschließenden medikamentösen Therapie. Dabei ist grundsätzlich zu bedenken, daß die Tuberkulose unbehandelt, d.h. ohne die systemische Gabe von Tuberkulostatika, potentiell lebensbedrohlich ist, die nichttuberkulöse Mykobakteriose - bei Immunkompetenz des Patienten - dagegen nicht. Im Zweifelsfall wird man daher einen Patienten mit klassischen Tuberkulostatika behandeln müssen, auch wenn diese gegenüber nichttuberkulösen Mykobakterien eine nur geringe Wirksamkeit aufweisen. Finden sich im Lymphknotengewebe eine epitheloidzellige Reaktion und/oder säurefeste Stäbchen, so orientiert sich die weitere Therapie zunächst allein an klinischen Faktoren, wie dem radiologischen Thoraxbefund, der intrakutanen Tuberkulintestung sowie dem Alter des Patienten. Bei Verdacht auf eine nichttuberkulöse Mykobakteriose stellt sich zudem die Frage nach der Vollständigkeit der operativen Sanierung. Das Resultat der mikrobiologischen Diagnostik steht üblicherweise erst nach einigen Wochen zur Verfügung. Hieraus ergeben sich nur dann mögliche Konsequenzen, wenn ein Erreger tatsächlich nachgewiesen und identifiziert werden kann. Da die Kultivierung jedoch unzuverlässig ist und in nur rund 50% der Fälle gelingt, ändert ein negativer Befund nichts an der einmal eingeschlagenen therapeutischen Vorgehensweise.


Zitierte Literatur


1. Baek CH, Kim SI, Ko YH, Chu KC (2000) Polymerase chain reaction detection of myco-bacterium tuberculosis from fine-needle asoirate for the diagnosis of cervical tuberculous lymphadenitis. Laryngoscope 110:30-34

2. Berger C, Pfyffer GE, Nadal D (1996) Treatment of nontuberculous mycobacterial lymphadenitis with clarithromycin plus rifabutin. J Pediatr 128:383-386

3. Daley AJ, Isaacs D (1999) Differential avian and human tuberculin skin testing in non-tuber-culous mycobacterial infection. Arch Dis Child 80:377-379

4. Ellison E, Lapuerta P, Martin SE (1999) Fine needle aspiration diagnosis of mycobacterial lymphadenitis. Acta Cytol 43:153-157

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Übersichtsartikel


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09 Juli 2006

Katzenkratzkrankheit

Die Katzenkratzkrankheit als Differenzialdiagnose des ‚Roten Auges‘
PD Dr. M.C. Jäckel, Dr. Tanja Glock, Dr. A. Künster

Zusammenfassung. In der vorliegenden Arbeit wird über zwei Fälle des sogenannten okuloglandulären Syndroms nach Parinaud berichtet, bei dem es sich um eine atypische Manifestation der Katzenkratzkrankheit handelt. Die Symptomatik besteht in einer einseitigen, subakuten Konjunktivitis, die mit einer Lidrötung und einer präaurikulären Lymphknotenschwellung einhergeht. Die Diagnose beruht im wesentlichen auf dem klinischen Bild und dem serologischen IgG-Nachweis. Eine Therapie ist in den meisten Fällen nicht notwendig.

Hintergrund. Rötungen des Auges und der Augenlider sind häufige Symptome, mit denen der Hals-Nasen-Ohrenarzt zum Ausschluß einer möglichen Sinugenese konfrontiert wird. Eine seltene Differenzialdiagnose ist das okuloglanduläre Syndrom nach Parinaud, das durch Bartonella henselae, den Erreger der Katzenkratzkrankheit, hervorgerufen wird. Im Gegensatz zu der sonst üblichen Übertragung durch Kratzverletzungen der Haut werden hierbei Keime in die Augenbindehaut inokuliert, wo sie eine granulomatöse, zumeist subakute Entzündung hervorrufen. Im weiteren Verlauf entwickelt sich eine ipsilaterale präaurikuläre Lymphadenitis. Trotz der oft augenfälligen Befunde haben die Patienten vielfach nur eine geringe Lokalsymptomatik und üblicherweise kaum Störungen des Allgemeinbefindens.

Die Durchseuchung der übertragenden Katzen mit B. henselae ist hoch und liegt bei ungefähr 40% (1). Die Erkrankung verläuft bei den Tieren inapparent. Sie geht jedoch mit einer mehrwöchigen Bakteriämie einher, während der die Tiere infektiös sind. Eine durchgemachte Infektion hinterläßt bei den Katzen eine lebenslange Immunität, so daß spätere Reinfektionen keine erneute Bakteriämie verursachen. Dies erklärt, warum das Infektionsrisiko für Halter junger Kätzchen besonders groß ist.

Berichtet wird über zwei Patienten, die im Jahr 2003 wegen eines okuloglandulären Syndroms an der HNO- und Augenklinik des Klinikum Darmstadt behandelt wurden. Die Diagnostik und Therapie der Erkrankung werden anschließend diskutiert.

Fall 1. Ein 12-jähriger Junge wurde unter dem Verdacht einer Sinusitis mit beginnender orbitaler Komplikation vorgestellt. Es bestand seit ungefähr 2 Wochen eine Rötung und Schwellung des rechten Oberlids, die mit einer Ptosis und leichten Schmerzen einherging. Fast parallel war es zu derben, leicht druckschmerzhaften Schwellungen im Bereich der Regio parotidea und des Kieferwinkels rechts gekommen. Das Allgemeinbefinden war zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt. Eine ambulant durchgeführte antibiotische Therapie mit einem oralen Cephalosporin hatte zu keiner Besserung geführt. Anamnestisch waren weder ein kurz zurückliegender grippaler Infekt noch rezidivierende Sinusitiden eruierbar. Der Junge hatte Kontakt zu einer als Haustier gehaltenen Katze, Biß- oder Kratzverletzungen waren nicht erinnerlich.

Die klinische HNO- und augenärztliche Untersuchung lieferte neben einer rechtsseitigen Lidphlegmone mit konjunktivaler Beteiligung Normalbefunde. Es ergaben sich insbesondere keine Anhaltspunkte für eine pathologische Sekretion im mittleren Nasengang oder eine Infektion der Tränenwege. Ein sinugenes Geschehen wurde darüber hinaus durch eine Computertomografie der Nasennebenhöhlen ausgeschlossen. Sonographisch stellten sich innerhalb der Glandula parotis rechts mehrere echoarme Raumforderungen dar. Die Entzündungsparameter waren sämtlichst im Normbereich. Bei zweimaligen Abstrichuntersuchungen aus dem Bindehautsack konnten keine Keime angezüchtet werden. Die serologische Untersuchung ergab einen positiven IgG-Titer (1:256; Norm < 1:64) für Bartonella henselae, der im Verlauf von 4 Wochen auf 1:1024 anstieg. Die Befunde für Adenoviren, Cytomegalie, EBV, Herpes simplex, Mumps, Borrelien und Toxoplasmose waren unauffällig. Bartonellen-spezifisches IgM war zu keinem Zeitpunkt nachweisbar.

Aufgrund des zunächst unklaren entzündlichen Geschehens wurde der Junge initial mit Unacid behandelt. Die Therapie erstreckte sich über 10 Tage und führte zu einer partiellen Remission. Nach Absetzen des Antibiotikums kam es innerhalb von 3 Wochen zu einer vollständigen Ausheilung.

Fall 2. Die 50-jährige Patientin litt seit über 4 Wochen an einer Rötung der rechtsseitigen Augenbindehaut mit wechselndem Fremdkörpergefühl. Eine Schwellung der ipsilateralen präaurikulären Lymphknoten war ungefähr 10 Tage später aufgetreten und hatte seither zu einer allmählich zunehmenden, druckschmerzhaften Hautinfiltration geführt. Ambulante Therapien mit Ciprobay und einem oralen Cephalosporin waren erfolglos geblieben. Die Patientin hat zu Hause eine 7 Monate alte Katze.

Im Bereich der Glandula parotis zeigten sich sonographisch mehrere echoarme Raumforderungen mit beginnender Einschmelzung. Eine Punktionszytologie ergab das Zellbild einer reaktiven, unspezifischen Lymphadenitis. Augenärztlicherseits wurde eine rechtsseitige Konjunktivitis mit Chemosis diagnostiziert und eine antibiotische Lokaltherapie eingeleitet. Die Laborparameter waren bis auf eine CRP-Erhöhung von 2,8 mg/dl unauffällig. Bei der serologischen Untersuchung zeigte sich der IgG-Titer für Bartonella henselae mit 1:512 deutlich erhöht, IgM war im Normbereich. Eine Kontrolle nach 4 Wochen ergab einen Titeranstieg auf 1:1024.

Unter der Verdachtsdiagnose einer beginnend eitrigen Lymphadenitis wurde die Patientin zunächst mit Unacid i.v. behandelt. Hierunter entwickelte sich im Bereich der Glandula parotis eine progrediente Einschmelzung, die nach einigen Tagen inzidiert und drainiert werden mußte. Im Eiter konnten bakeriologisch keine Keime nachgewiesen werden. Die histopathologische Begutachtung der biopsierten Abszeßmembran ergab eine unspezifische entzündliche Reaktion. Nach Erhalt der Serologie wurde die Antibiose auf ein orales Makrolid umgestellt. Hierunter kam es innerhalb von 4 Wochen zu einer vollständigen Ausheilung.

Diskussion. Die Katzenkratzkrankheit manifestiert sich im HNO-Bereich vorrangig als einseitige zervikale Lymphadenitis im Abflußgebiet einer primären Hautläsion (2). Die Verdachtdiagnose ergibt sich insbesondere bei Erfüllung der klassischen Trias Katzenkontakt, Hautpapel an der Eintrittspforte und regionale Lymphknotenschwellung. Die Inkubationszeit beträgt 1-2 Wochen. Das okuloglanduläre Syndrom nach Parinaud stellt eine der atypischen Formen der Erkrankung dar, die insgesamt rund 10% der Fälle ausmachen (3). Hierzu zählen auch die seltenen systemischen Verläufe mit Enzephalitis und atypischer Pneumonie, die vor allem bei immunsupprimierten Patienten zu beobachten sind.

Die Diagnose der Katzenkratzkrankheit ist zuweilen schwierig und beruht zu einem wesentlichen Teil auf dem anamnestisch-klinischen Bild und dem Ausschluß anderer Erkrankungen. Ein kultureller Nachweis des Erregers aus Lymphknotenpunktaten oder Bindehautabstrichen gelingt in nur rund 10% der Fälle (4). Der früher durchgeführte Hangar-Rose Hauttest mit Antigenen aus dem Eiter von Patienten gilt aufgrund des Risikos der Übertragung pathogener Viren mittlerweile als obsolet. Auch die histologische Untersuchung liefert üblicherweise keinen wegweisenden Befund. Es gibt keine spezifischen feingeweblichen Merkmale einer Katzenkratzkrankheit, das histopathologische Bild reicht von einer lymphoiden Hyperplasie über eine retikulozytär-abszedierende Lymphadenitis bis hin zu einer granulomatösen Herdbildung mit zentral verkäsender Nekrose (5). Eine Absicherung der Diagnose scheint dagegen durch den serologischen Antikörpernachweis im Enzymimmunoassay möglich zu sein. Seine Sensitivität beträgt 75% für IgG allein, 85% für IgG und IgM zusammen, allerdings nur 48% für IgM allein (6). Da gesunde Probanden lediglich zu rund einem Prozent seropositiv sind, sind sowohl der IgG- als auch der IgM-Nachweis für eine Erkrankung hochspezifisch. Dem entspricht auch die erst jüngst publizierte Beobachtung, daß beide Titer nach einer Erkrankung wieder zurückgehen. Nach Ablauf eines Jahres ist kein Patient mehr seropositiv für IgM und nur noch rund 25% für IgG (7). Aus diesem Grunde kann - bei entsprechender klinischer Symptomatik - auch der alleinige Nachweis von IgG als beweisend für eine akute Erkrankung gelten. Ergänzt wird das diagnostische Spektrum schließlich noch durch den ebenfalls hochspezifischen Nachweis bakterieller DNA mittels PCR, der allerdings nicht überall verfügbar ist (8).

Die Notwendigkeit einer Therapie bei Katzenkratzkrankheit ist umstritten. Die Erkrankung nimmt bei immunkompetenten Personen einen gutartigen und selbstlimitierenden Verlauf. Bei einer deutlichen Beschwerdesymptomatik oder bei Vorliegen einer abszedierenden Lymphadenitis erscheint allerdings eine antibiotische Therapie indiziert. Der Erreger ist üblicherweise empfindlich auf Makrolide, Gyrase-Hemmer und Tetrazykline (9).

1. Zangwill KM, Hamilton DH, Perkins BA, Regnery RL, Plikaytis BD, Hadler JL, Cartter ML, Wenger JD: Cat scratch disease in Connecticut. Epidemiology, risk factors, and evaluation of a new diagnsotic test. N Engl J Med 329: 8-13 (1993).
2. Dreher A, Grevers G: Katzenkratzkrankheit. Laryngo Rhino Otol 75: 403-407 (1996).
3. Ridder GJ, Richter B, Laszig R, Sander A: Parotisaffektionen bei Katzenkratzkrankheit: eine Differenzialdiagnose mit zunehmender Bedeutung. Larnygo Rhino Otol 79: 471-477 (2000).
4. La Scola B, Raoult D: Culture of Bartonella quintana and Bartonella henselae from human samples: a 5-year experience (1993 to 1998). J Clin Microbiol 37: 1899-1905 (1999).
5. Anderson BE, Neuman MA: Bartonella spp. as emerging human pathogens. Clin Microbiol Rev 10: 203-219 (1997).
6. Giladi M, Kletter Y, Avidor B, Metzkor-Cotter E, Varon M, Golan Y, Weinberg M, Riklis I, Ephros M, Slater L: Enzyme immunoassay for the diagnosis of cat-scratch disease definded by polymerase chain reaction. Clin Infect Dis 33: 1852-1858 (2001).
7. Metzkor-Cotter E, Kletter Y, Avidor B, Varon M, Golan Y, Ephros M, Giladi M: Long-term serological analysis and clinical follow-up of patients with cat-scratch disease. Clin Infect Dis 37: 1149-1154 (2003).
8. Sander A, Posselt M, Bohm N, Ruess M, Altwegg M: Detection of Bartonella henselae DNA by two different PCR assays and determination of the genotypes of strains involved in histologically defined cat scratch disease. J Clin Microbiol 37: 993-997 (1999).
9. Conrad DA: Treatment of cat-scratch-disease. Curr Opin Pediatr 13: 56-59 (2001).

Priv.-Doz. Dr. med. Martin C. Jäckel, HNO-Klinik Darmstadt, Heidelberger Landstr. 379, D-64297 Darmstadt. Tel.: 0049-6151-1074201, FAX: ++49-6151-1074299, e-Mail: martin.jaeckel@surfeu.de